Julia Riemann – PROaupair für einen Jungen mit Autismus

Seit 8 Monaten ist Julia nun mit apex als Ergotherapeutin in Baltimore. Wie sie täglich einen autistischen Jungen unterstützt, erzählt sie in ihrem Bericht.

2013 machte Julia Riemann (22) ihren Abschluss in Ergotherapie an der Völkerschule in Osnabrück. Seit acht Monaten ist sie nun schon mit apex als professionelles Au Pair in Baltimore, USA, wo sie im Haus der vierköpfigen Familie McBride ihr eigenes Zimmer besitzt. Als „live-in caretaker“ kümmert sie sich um die siebenjährige Ella und ihren fünfjährigen Bruder Mikey. Mikey wurde mit Autismus diagnostiziert.

It was the first time I said, ‚I love you‘ and he said, ‚I love you too‘. That was the time when I felt, this is working out so well. It was wonderful.

Julia über ihr Pflegekind Mikey

Therapie in den USA – neue Möglichkeiten entdecken

We know it is somebody is professional, we know that they have special needs experience, we know they want to do this. This is their career. This is not just ‚I want to go to another country and see what it’s like.‘ There is more to it than just that.

Mikey’s Mutter Luisella über apex socials care professionals

Mikey besucht jeden Tag das Shafer Center, eine spezielle Schule für autistische Kinder, wo er verschiedene Therapien durchläuft. Julia ist in regem Austausch mit Mikey’s Therapeuten und kann hier jederzeit hospitieren.

Julia ist in regem Austausch mit Mikey's Therapeuten

Julia sieht sich als Bindeglied zwischen Mikeys Therapeuten, Lehrern und seinen Eltern. Kontinuierlich arbeitet sie an Übungen aus den Therapiestunden und versucht sie in Mikeys Alltag zu integrieren. Dabei ist es wichtig, Mikeys aktuelle emotionale Befindlichkeit zu berücksichtigen und ihn vor allem bei ganz alltäglichen Dingen zu unterstützen. Für einen Menschen mit Autismus wie Mikey können einfachste Handlungen, wie sich anziehen oder einkaufen gehen, absolut überwältigend sein.

Julia works on generalizing the things we’re working on here. We’ve actually sent work packages home to her, so she knows exactly here is how they’re doing letters, here is how they’re working on spelling and here is what they are working on handwriting right now. So she is able to look at that and generalize.

Lauren Belmonte, Mikeys Behavioral Consultant

Am Morgen trägt Julia Mikey’s Morgenroutine in eine Liste ein, die Julia von seinem „Behavioral Consultant“ Lauren bekommen hat. Diese Protokolle dienen in den monatlichen Meetings zwischen Julia und Lauren als Grundlage, um die Verbesserungen in Mikeys Verhalten sowie mögliche Therapieanpassungen zu besprechen.

Musiktherapie – selbst kreativ werden

Jeden Morgen und Abend hört Mikey für 20 Minuten Musik. Mit seinen Kopfhörern werden spezielle Höhen, Tiefen und Melodien dem rechten und linkem Ohr zugeführt, welche besondere Bereiche im Gehirn anspricht, die bei Autisten anders funktionieren.

Da Julia auch selbst Klavier spielt, versucht sie ihre musikalischen Kenntnisse in der Musiktherapie mit einzubeziehen. Im Hause der McBrides steht ein Klavier an dem sie zusammen mit Mikey Klavier spielen übt. Anstatt mit Noten arbeitet sie mit farbigen Aufklebern, die sich sowohl auf den Klaviertasten als auch dem Notenbuch wiederfinden. Mit Mikey auf dem Schoß begleitet sie ihn auf seiner musikalischen Reise von Ton zu Ton.

AUTISMUS – kleine Schitte – große Erfolge

Mit "what's next?" versucht Julia Mikey den nächsten Schritt in der Alltagsroutine in Erinnerung zu rufen. Wenn Mikey eine Aufgabe richtig gelöst hat, auch wenn es sich um etwas scheinbar ganz Normales handelt wie den Schulrucksack an den Haken zu hängen, wird mit einem "high-five" abgeklatscht und Mikey mit einem "piggyback ride" (Huckepack) belohnt.

Bereits nach wenigen Monaten hatte Julia bereits Fortschritte in Mikeys Verhalten vorzuweisen. Am Anfang ihres Aufenthaltes musste sie ihm noch jedes Kleidungsstück einzeln aufzählen, welches er anziehen soll. Mittlerweile muss sie nur noch auf das jeweilige Kleidungsstück zeigen. Das klingt zwar nach wenig Veränderung, bedeutet aber im Leben eines Autisten einen großen Fortschritt.

A kid comes up to him at the playground and says Hi. If he looks at him and says Hi back, this is already huge for me and for his parents. It just makes me very proud to see his improvement.

Julia über Mikeys Entwicklung

Neben Mikey kümmert sich Julia am Nachmittag auch noch um Ella, seine große Schwester. Sie erledigen Hausaufgaben, spielen mit Mikey oder kochen auch mal zusammen. Ella half Julia anfangs ihren Bruder Mikey und seine Stimmungsschwankungen besser kennen zu lernen. Jetzt weiß Julia, dass Mikey viele und lange Umarmungen braucht, wenn er anfängt wie aus dem nichts zu weinen. Dann müssen die nächsten Schritte klar ausgelegt werden. Dafür hat Julia Mikey einen Wochenkalendar mit „chores“ (Aufgaben) gebastelt. Mit Bildern erklärt, stehen dort Sachen wie „Hamster füttern“ oder „Bett machen“. Bei diesem Kalender kann Mikey nach jeder erledigten Aufgabe ein Kreuzchen setzen.

I talked to Julia about getting the hair cut to be better and more tolerable and she had some great suggestions. She talked to his occupational therapist at school and they came up with a plan. Everyday she started working with Mikey on practising hair cuts. She was doing social stories with him and she developed different kinds of plans to do with him while she was sitting there with him. They practised the buzzer, they practised the cold scissors around his head. So when we had someone to cut his hair at home, he sat all by himself, he did not cry and he got his best hair cut. It was a huge moment for me and I think Julia had a lot to do with making this happen.

Mikeys Mutter über Julias Arbeit

Freizeit

Nachdem die Kinder durch die Morgenroutine begleitet wurden, hat Julia gewöhnlich fünf Stunden Freizeit bis die Kinder aus der Schule kommen. Wenn sie gerade nicht zum Sport geht, trifft sie sich gerne mit Laura, ihrer Freundin aus Deutschland. Sie nimmt ebenfalls am apex Programm teil und wohnt ca. eine halbe Autostunde entfernt bei einer Familie in Columbia. Wie auch Julia, bekommt sie von ihren Gasteltern ein Auto zur freienVerfügung gestellt und besucht heute Julia zum ausgedehnten Frühstück, wo sie sich über ihre Pflegekinder und Erfahrungen im neuen Land austauschen.

Das witzige an Amerika ist das Verständnis von Entfernung, eine halbe Stunde mit dem Auto ist hier wie um die Ecke.

Kennengelernt haben sie sich bei ihrem ersten monatlichen Meeting. Diese Meetings werden jeden Monat durch die jeweiligen PROaupair Area Director organisiert. Die Area Director sind direkte Ansprechpartner vor Ort, die innerhalb der USA an strategischen Stellen (jedoch nicht weiter als eine Autostunde entfernt) platziert sind und mit den professionellen Au Pairs monatliche Treffen organisieren. Angst, keinen Anschluss zu finden, muss hier keiner haben – über die Jahre hat sich bereits ein breites Netzwerk von professionellen Au Pairs und anderen auf Facebook bzw. per Email gebildet.

Eine dieser Facebookgruppen traf sich am Abend in einem irischen Pub namens O'Brien wo auch eine Live-Band spielen sollte. So trafen sich Julia und Laura mit vielen anderen Au Pairs aus der Gegend mit denen man bereits Freundschaft geschlossen hatte. Neben zwei weiteren deutschen Freunden kamen auch Au Pairs aus England, Italien und Polen zu dem Treffen.

Nach dem zweiten Cocktail wurde die Stimmung ausgelassener und es wurde sogar mit amerikanischen Herrschaften zu Countrymusik getanzt.

Julia's Zukunft
Ich habe mich vor zwei Monaten dazu entschieden zu verlängern. Einfach weil mir aufgefallen ist, wie unglaublich schnell dieses Jahr vorbei gegangen ist. […] Alle Erfahrungen die ich jetzt schon gesammelt habe sind so viel wert und ich habe das Gefühl, ich bin hier noch nicht fertig und ich habe noch so viel zu erleben.

Julia Riemann – PROaupair für einen Jungen mit Autismus