Ergotherapeutin Julia erzählt von ihren 2 Jahren im Apex Social Auslands- und Weiterbildungsprogramm und was sie in ihrer Zeit gelernt hat

Nachdem Julia Ihre Ergotherapie Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hatte, stand sie vor einer wichtigen Entscheidung. Entweder sie startet direkt ins Berufsleben in Deutschland als Ergotherapeutin in einer Klinik, oder sie reist nach Amerika, um bei einer Familie zu leben und arbeiten, die einen Sohn mit Autismus hat. Julia entschied sich für Letzteres und bereut Ihre Entscheidung heute, fast zwei Jahre später, nicht.

„Am Anfang war ich natürlich etwas nervös – in einer Familie zu Leben, die ich zuvor nur ein paar mal per Skype gesprochen, aber noch nie persönlich kennengelernt hatte“, sagte Julia. “Wie wird es wohl werden? Aber am Ende waren meine Sorgen völlig unbegründet, denn diese Erfahrung war für mich unglaublich wertvoll – sowohl persönlich als auch beruflich.“

Julia ist eine von vielen Ergotherapeutinnen aus Deutschland und Österreich, die für sich die Möglichkeit entdeckten ihre beruflichen Fähigkeiten weiterzuentwickeln und ihre Fachkenntnis zu vertiefen, während sie zeitgleich die Vorteile des Lebens in einem anderen Land erfahren. Deswegen entschied auch Julia sich lieber für eine berufsbezogene Auslandszeit, bei der sie ihrer Arbeit als Ergotherapeutin nachgehen konnte, als nach der Ausbildung einfach nur ein Gap Year zu machen. Für viele – wie  auch Julia – hat diese Erfahrung ihre Herangehensweise  an die Ergotherapie maßgeblich verändert.

Ihre perfekte Gastfamilie fand Julia bei apex social. Nach ihrem erfolgreichen Bewerbungsprozess stand fest, dass sie bei der Gastfamilie McBride und ihren beiden Kinder Ella (8 Jahre alt) und Mikey (7 Jahre alt) leben und arbeiten würde. Mikey bekam die Diagnose Autismus mit einem Jahr.

"Als uns klar wurde welche Kosten auf uns zukommen für Mikey's Therapien war sofort klar, dass niemand von uns beiden zu Hause bleiben konnte," sagte Luisella McBride. "Und was bedeutet zu Hause bleiben überhaupt? Wären mein Mann oder ich überhaupt die Richtigen Personen gewesen, Mikey die Unterstützung zu geben, die er für seine erfolgreiche Entwicklung braucht? Wir wollten jemanden, der weiß wie man mit Mikey arbeitet und der mit uns an einem Strang zieht."

Nach zwei Jahren intensiver therapeutischer Arbeit mit Mikey sieht Julia signifikante Entwicklungserfolge.

„Als ich angefangen habe mit Mikey zu arbeiten musste ich ihm morgens jedes einzelne Kleidungsstück zeigen, dass er anziehen sollte und ihm bei den Knöpfen und Reißverschlüssen zu helfen,“ erklärte Julia. „In den letzten 20 Monaten hat Mikey seine fein-motorischen Fähigkeiten so weit verbessert, dass er die meisten Knöpfe und Reißverschlüsse selbstständig schließen kann.“

Julia stand immer in engem Kontakt mit Mikey’s Stammtherapeutin und arbeitete mit weiteren Ergotherapeuten, Psychologen, Lehrern, sowie ABA- und TEACCH-Verhaltenstherapeuten zusammen als interdisziplinäres Team. Gemeinsam haben sie Routinen und Materialien etabliert, die Mikey dabei helfen die Aktivitäten des täglichen Lebens zu meistern.

„Am Anfang fiel Mikey es schwer den sensorischen Input einer Zahnbürste in seinem Mund zu tolerieren,“ erklärte Julia. „Mittlerweile hält er seine Zahnbürste ganz alleine und putzt sich seine Zähne für länger als 1 Minute.“

Julia profitierte ungemein vom Leben mit der McBride Familie und dem damit einhergehenden Einblick in den Alltag mit einem Kind mit Autismus.

„Ich bin über mich hinausgewachsen und habe Berufserfahrungen gesammelt, die meinen Klienten-zentrierten Blickwinkel auf die Ergotherapie beeinflusst haben,“ sagte Julia. „Außerdem habe ich erfahren, wie wichtig es ist an einem Strang zu ziehen mit Therapeuten, Lehrern und Ärzten – aber vor allem auch den Eltern -, um den Kindern die bestmögliche Unterstützung und Pflege zukommen lassen zu können.“

Das Leben und Arbeiten in einer Gastfamilie ist eine intime Erfahrung, welche Julia erlaubte einen exklusiven Einblick in das gesamte Familienleben zu bekommen, nicht nur in das Leben von Mikey.

„Es ist schwer die Familie eines Kindes komplett zu verstehen und abzuholen, wenn man sie nur ein bis zweimal die Woche für 5 Minuten nach den Therapieeinheiten des Kindes sieht,“ sagte Julia. „24 Stunden mit der Familie zusammen zu sein gab mir ein besseres Verständnis dafür, wie es ist mit einem Kind mit besonderem Förderbedarf zu leben und half mir zu sehen was für einen Effekt diese Situation auf die gesamte Familie ausübt.“

Julia ist beeindruckt von der Hingabe und Zuneigung mit der ihre Gasteltern den Kindern begegnen und versuchen ihre Kinder glücklich zu machen. Diese Bewunderung beruht auf Gegenseitigkeit.

„Julia wird  jedes Mal genauso aufgeregt wie ich, wenn  Mikey oder Ella ein Ziel erreicht haben, auf das sie hingearbeitet hatten,“ sagte Luisella. „Wir bewundern Julia’s Hingabe, Arbeits-Ethik und ihre  Motivation unseren Kindern dabei zu helfen erfolgreich zu sein. Ihr ergotherapeutischer Hintergrund war immer sehr hilfreich, wenn ich mich gefragt habe, wie ich Mikey mit bestimmtem Verhalten helfen kann. Ihre Zusammenarbeit mit den Ergotherapeuten vor Ort half außerdem zu Hause zu generalisieren, was Mikey bereits in der Schule gelernt hatte.“

Auch wenn Julia sich auf ihre Rückkehr nach Deutschland freut, kann sie bestätigen, dass die Zeit in Amerika sie verändert hat.

„Ich bin zu einer reiferen, selbstständigeren Person geworden in den letzten Jahren,“ erklärt sie. „In einem anderen Land, mit einer anderen Kultur und einer anderen Sprache zu leben, beeinflusst einen auf so vielen Ebenen. Dies ist eine Erfahrung, die mir keiner mehr nehmen kann.“

Der Kern ihrer ergotherapeutischen Erfahrung in Amerika ist ihre neue Klienten-zentrierte Perspektive. Sozusagen eine Philosophie inspiriert durch ihre Zeit mit der McBride Familie.

„Auch wenn man ein bemerkenswertes Gespür für Empathie hat, kann man nicht wissen wie es ist Teil einer Familie zu sein, die ein Kind mit Autismus hat,“ sagte Julia. „Als Therapeut hört man oft nicht nachvollziehbare Entschuldigungen von Eltern, die es nicht geschafft haben die Therapie-Hausaufgaben mit ihren Kindern zu erledigen. Aber erst wenn man mit einer Familie zusammenlebt erkennt man, wie hart die Elter in Wirklichkeit arbeiten und was sie tagtäglich an Herausforderungen meistern müssen. Und man beginnt zu verstehen warum sie oftmals so viel Hoffnung in die Hände der Therapeuten und Lehrer legen, um ihnen mit ihren Kindern zu helfen.“

Julia’s Unterstützung und ihre ergotherapeutische Fachkenntnis war eine Unterstützung für die gesamte Familie, nicht nur für Mikey.

„Es warten viele Herausforderungen auf einen, wenn man ein Kind mit Autismus hat,“ sagte Luisella. „Aber einen Profi an seiner Seite zu haben, der dich Unterstützt und Verständnisvoll ist, macht einen riesigen Unterschied. Es gibt genug Momente, in denen ich einfach überwältigt bin und bereit das Handtuch zu werfen. Genau das sind die Momente in denen Julia auf mich zukommt mit den Worten: ‚Ich kümmere mich drum.“

Ergotherapeutin Julia erzählt von ihren 2 Jahren im Apex Social Auslands- und Weiterbildungsprogramm und was sie in ihrer Zeit gelernt hat